Eine Lehrform für Transfer und Transformation

Engagiertes Lehren und Lernen in der Gesellschaft

Unsere Gesellschaft und die damit verbundenen Erfahrungen des Zusammenlebens werden immer komplexer. Gleichzeitig werden auch die gesellschaftlichen Herausforderungen und Problemstellungen immer vielschichtiger und erfordern multidmensionale Lösungsansätze, die von unterschiedlichen Akteur*innen entwickelt, begleitet und getragen werden. Wir ermöglichen Studierenden und Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft Mitgestaltung an einem transdisziplinären Wissenstransfer, der eigenen Lernerfahrung in lösungsorienrierten Veranstaltungs-Settings und Teilhabe an wissenschaftlichen Methoden sowie unterschiedlichen interdisziplinären Formen der Wissensproduktion.

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© BZH / Universität Bonn

Was ist Service Learning?

Service Learning ist ein didaktischer Ansatz, der ursprünglich aus dem nordamerikanischen Raum kommt. Im deutschsprachigen Raum wird häufig von Lernen durch Engagement gesprochen. Insgesamt wird an Hochschulen der englische Begriff Service Learning am häufigsten verwendet. Service bedeutet dabei einen Dienst an oder Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Learning bezieht sich auf das fachliche Lernen beziehungsweise die Vermittlung fachlicher Inhalte im Unterrichtsraum.

Ähnlich wie andere transfer- und erfahrungsorientierte Lehrformen (z.B. community based learning, problem based learning, community based research, social entrepreneurship learning etc.), ist das besondere an Service Learning, dass Studierende die Wirkung ihres Handelns direkt in einem konkreten gesellschaftlichen Kontext erleben und erfahren können. Im Unterricht bedeutet das konkret, dass die Studierenden die Möglichkeit erhalten, praxisnah und anwendungsorientiert Erfahrungen zu sammeln. Dabei gestalten sie gemeinsam mit uni-externen Partner*innen eigenständig Projekte oder engagieren sich regelmäßig in gesellschaftsnahen Institutionen. Begleitet wird diese Projekt- oder Engagementtätigkeit durch eine Lehrveranstaltung, in der die Studierenden dazu angeleitet werden ihre Erfahrungen aus der erschlossenen Praxis zu reflektieren und dadurch eine Verknüpfung zu akademischen Lerninhalten (Curriculum) herzustellen. Dieser Ansatz eines erfahrungsbasierten Lernens kann den Studierenden Kompetenzen wie beispielsweise Reflexionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und kollaboratives Arbeiten vermitteln, die sie auf eine sich zunehmend schneller verändernde Gesellschaft mit komplexen Herausforderungen vorbereiten.

Kernaspekte von Service Learning

Um besser zu verstehen durch welche Elemente Lehrveranstaltungen zu Service Learning werden und auch Potentiale in bereits vorhandenen Lehrveranstaltungen zu erkennen haben wir im folgenden die wichtigsten Kernaspekte des Service Learning-Ansatzes aufgeführt.

Reflexion

Im Rahmen der Lehrveranstaltung sollte ein zentraler Bestandteil sein, dass die Studierenden einen Raum und Zeitpunkt zur Reflexion haben. Dabei sollen die Studierenden dazu angeleitet/darin unterstützt werden, über die Herausforderungen aber auch Erfolgserlebnisse, die sie bei der Anwendung von akademischen Kompetenzen in einem gesellschaftsrelevanten, praxisnahen Kontext erfahren haben zu reflektieren.

Transdisziplinarität

Eine Servie Learning-Lehrveranstaltung sollte transdizsiplinäre Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Das bedeutet, dass in einer für die jeweiligen Zielsetzungen der Lehrveranstaltung entsprechenden Form mit Methoden oder Wissenformen gearbeitet wird, die aus einem gesellschaftsnahen und praxisorientierten Feld stammen.

Transfer

Mittels der Zielsetzungen und des Vorgehens in der Servie Learning-Lehrveranstaltung sollen auch öffentliche Akteur*innen mit ihren Perspektiven und Interessen miteingebunden werden. Eine Öffentlichkeit von außerhalb des Lehrveranstaltungskontexts kann dadurch entweder direkt mitwirken, die eigenen Perspektiven einbringen und/oder Zugriff auf die Ergebnisse der Lehrveranstaltung bekommen.

Rollenverschiebung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden die Möglichkeiten eröffnet, dass die Rollen der Lehrenden und Studierenden sich verschieben. Lehrende nehmen unter anderem auch Rollen der Begleiteden, Anleitenden, Beratenden, sowie des Lernenden und Ermöglichenden ein. Studierende nehmen unter anderem die Rolle der Gestaltenden, Lehrenden, Wissensvermittler*innen, Anwender*innen und auch Expert*innen ein.

Gesellschaftliche Herausforderung

Der thematische Fokus einer Servie Learning-Veranstaltung sollte sich immer an einem Feld aktueller (gesamt-)gesellschaftliche Herausforderungen ausrichten. Dafür kommen etwa die übergeordneten Themenfelder Nachhaltigkeit, Diversität, Digitalisierung in Frage (aber bspw. auch gesellschaftlicher Wandel, demografischer Wandel, politische Bildung, Postkolonialismus ...).

Gestalten und Erleben

Die Studierenden sollen durch eine Servie Learning-Veranstaltung die Möglichkeit bekommen die Wirksamkeit ihres eigenen Handelns konkret zu erfahren. Im Rahmen der Veranstaltung sollen die Studierenden die Möglichkeit bekommen einen Beitrag zu einer Problemstellung zu leisten, der unabhängig vom Gesamterfolg für beteiligte Akteur*innen einen Anknüpfungspunkt bietet. Die Lehrveranstaltungen schließen im Idealfall mit einer Studienleistung (oder Prüfungsleistung) ab, die es den Studierenden ermöglicht über die Entwicklung ihres Beitrags oder die Erfahrungen im Rahmen ihres Engagements zu reflektieren.

Die Rolle von Service Learning

Service Learning ist ein transdisziplinärer und transferorientierter Lehr- und Lernansatz, bei dem der Lernkontext der Universität durch externe, praxisbezogen Räume und Formen des Wissens erweitert wird. Hierbei steht im Fokus, dass viele verschiedene Akteur*innen aus unterschiedlichen Feldern gemeinsam an Lösungsansätzen zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen arbeiten. Damit dient diese Lehrform auch als einer der Bausteine, um ein forschungs- und transferorientierte Profil einer Hochschule zu stärken und weiterzuentwickeln.

Transdisziplinär zu arbeiten und zu lernen bedeutet, dass die leitenden Methoden, Kenntnisse und Expertisen nicht nur aus der Wissenschaft kommen müssen, sondern gleichermaßen von allen beteiligten Akteur*innen und aus verschiedenen institutionellen oder fachlichen Kontexten eingebracht werden können. Ein Wissenstranfer ist in dieser Arbeitsweise zwischen allen Beteiligten eine wichtige Grundkomponente. Alle Beteiligten unterrichten sich gegenseitig und auf Augenhöhe über ihre jeweils eigenen Fachkenntnisse und Expertisen und schaffen somit Möglichkeiten zur Teilhabe an verschiedenen Formen der Wissensproduktion. Gleichzeitig ist der ergebnisorientierte Beitrag ein wichtiger Baustein von Service Learning: Ziel der Lehveranstaltungen soll immer sein etwas zu präsentieren oder zu entwickeln, an das alle Interessierten und Engagierten aus der Gesellschaft oder dem Hochschulbereich weiter anknüpfen können.

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© BZH / Universität Bonn
Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© BZH / Universität Bonn

Was ist unser Ziel

Für Service Learning gibt es mittlerweile nicht nur im internationalen Raum sondern auch in Deutschland viele Erfahrungswerte und mindestens genausoviele konzeptionelle Ansätze. Unser Ziel ist es an der Uni Bonn ein breites Verständnis von und für erfahrungsbasierte Lehrformen wie Service Learning zu etablieren, um so einen breiten Erfahrungshorizont mit engagement- und transferbasierten Lehrkonzepten zu generieren. Dabei dient Service Learning als Methode um wichtige aktuelle, komplexe gesellschaftliche Themen in der Lehre zu adressieren und bei den Studierenden, aber auch Lehrenden sowie den involvierten gesellschaftliche Akteur*innen ein Verantwortungsbewusstsein für gesellschaftliche Mitgestaltung zu schaffen.

Darüber hinaus kann Service Learning als Lehrmethode – aber auch als konzeptioneller Rahmen – eine Option oder ein Raum für transformative Prozesse in der Hochschulentwicklung und bei didadiktischen Innovationen sein. Einen Fokuspunkt bildet hier die Erfahrung von Selbstwirksamkeit in komplexen Transformationsprozessen genauer zu beleuchten. Oder anders gesagt: Wie genau verändert sich unsere Lernerfahrung, wenn wir anfangen mit anderen gemeinsam gesellschaftliche Veränderungen zu gestalten?


Praxisleitfaden StadtKlimaWandeln

Wie entsteht nachhaltiger Wandel in Städten und Gemeinden? Diese Frage beantwortet ein Leitfaden, den der Wissenschaftsladen (WILA) Bonn und das Prorektorat für Nachhaltigkeit der Universität Bonn gemeinsam entwickelt haben. Die Kernbotschaft: Nachhaltige Lösungen gelingen nur, wenn Wissenschaft, kommunale Verwaltung und Zivilgesellschaft ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Perspektiven zusammenbringen – etwa zu Themen wie Klimaresilienz, biologische Vielfalt oder lebenswerte Stadtgestaltung.

Der Leitfaden ist Ergebnis des Projekts StadtKlimaWandeln, das von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert wurde. Im Rahmen dieses kooperativen Projekts führten wir bei uns im Bereich Service Learning über drei Semester das Lehrprojekt Stadtklimawandeln durch. Über zweieinhalb Jahre erprobten die Partner gemeinsam mit der Stadt Bonn, wie Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Bürgerschaft auf Augenhöhe funktionieren kann – unter anderem beim Umgang mit Starkregen oder Flächenkonflikten.

Dabei brachten Universität Bonn und WILA Bonn ihre unterschiedlichen Perspektiven ein – aus akademischer bzw. zivilgesellschaftlicher Praxis. Der Leitfaden dokumentiert auf diese Weise vielfältige Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungsansätze für lokale Transformationsprozesse.

Praxisleitfaden SKW
© WILA Bonn

Unsere Unterstützungsstruktur an der Uni Bonn und darüber hinaus

Prorektorat für Studium, Lehre und Hochschulentwicklung

Als Teil des Bonner Zentrums für Hochschullehre sind wir dem Prorektorat unterstellt und genießen damit eine umfangreiche Unterstützung der Hochschulentwicklung.

Prorektorat für Nachhaltigkeit

Wir werden aktiv vom Prorektorat und der Stabsstelle für Nachhaltigkeit unterstützt und arbeiten eng in der Konzeption unseres Ansatzes zusammen. Denn unter anderem durch Service Learning können Themen der Nachhaltigkeit in der Lehre adressiert werden.

Kooperationspartner*innen

In der Veranstaltungskonzeption, -organisation und -durchführung sowie der Generierung von neuen Projektideen und dem damit verbundenen Erfahrungsaustausch können wir voll uns ganz auf unsere Kooperationspartnerschaften bauen.

Wir sind Mitglied im Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung e. V. (HBdV).

Außerdem sind für uns OER (Open Educational Ressources) ein zentrales Thema, weil wir dadurch sowohl Lehr- und Lernmittel, als auch Wissen und Ergebnisse mit hochschulexternen Aktuer*innen teilen können. Hierbei ist aktuell ORCA NRW eine wichtige Schnittstelle für uns.

Universitätsintern sind wir Teil der Unter-AG Lehre des BOOST-Netzwerks. Ein Netzwerk, das sich die Verankerung von Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Universität zum Ziel gesetzt hat.

Qualitätskriterien für Service Learning

Quelle: Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung/Redaktionsgruppe Qualität

Projekte und Maßnahmen entstehen aus realen gesellschaftlichen Problemen
und Aufgaben und zielen auf einen konkreten Nutzen für den Einzelnen, eine
Gruppe oder die Gesellschaft ab.

Alle Beteiligten definieren gemeinsame Ziele, auf die kooperativ hingearbeitet
wird und die zum Abschluss auf ihre Erreichung hin überprüft werden.

Service Learning ist strukturell und inhaltlich in das Studium eingebunden und
mit den Lernzielen des Studiums verknüpft.

Studierende erwerben im Service Learning je nach inhaltlicher und didaktischer
Gestaltung durch die Lehrenden und Non-Profit-Organisationen persönliche,
soziale, fachliche und berufliche Kompetenzen.

Studierende lernen und handeln außerhalb des eigenen Hochschul- und
Studienkosmos.

Alle Beteiligten wirken gemeinsam an der Planung, Vorbereitung und
Ausgestaltung von Service Learning mit.

Die Beteiligten reflektieren fachlich und wissenschaftlich angeleitet ihre
Erfahrungen im Service Learning.

Studierende werden bei der Planung und Durchführung von Service-Learning-
Projekten unterstützt und begleitet.

Service-Learning-Projekte beinhalten Maßnahmen zur Evaluation, insbesondere
zur Qualitätssicherung und -entwicklung.

Das Engagement und die Leistungen der beteiligten Akteure werden im Service
Learning und insbesondere zum Abschluss anerkannt und gewürdigt.

Kontakt

Service Learning Universität Bonn

Nimm gern jederzeit Kontakt mit uns auf bei Fragen rund ums Thema Service Learning oder zu aktuellen Veranstaltungenangeboten und, wenn du Unterstützung für neue Ideen brauchst oder auch einfach ganz generell Interesse hast dich zu engagieren und mitzuwirken.

Kontakt

+49 228 / 73-4064

service-learning@uni-bonn.de

Adresse

1. Etage, Raum 1.001
Quantiusstraße 4
53115 Bonn

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Nachhaltigkeit an der Universität Bonn

Service Learning hat an der Uni Bonn vor allem einen großen Fokus auf Themen der Nachhaltigkeit. Das Prorektorat Nachhaltigkeit und die daran angesiedelten Initiativen sind eine große Triebkraft.

Mehr zu Nachhaltigkeit an der Uni Bonn und den engagierte Aktuer*innen erfährst gibt es hier

Transdisziplinarität und Exzellenzcluster

Als Exzellenzuniversität verfügt die Uni Bonn über sechs verschiedene TRAs und ein umfassendes Netzwerk an forschenden Wissenschaftler*innen, die sich mit zukunfstweisenden Themen beschäftigen.

Mehr Information zu den TRAs und wer daran beteiligt ist, gibt es hier

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